Phoenix-See Projekt

Im Rahmen des Ruhr-Residence-Stipendiums hatte ich von September bis Dezember 2017 die Möglichkeit, die Geschichte des ehemaligen Stahlwerkes „Hermannshütte“ in Dortmund/Hörde und die Umwandlung dieser Gegend zum Gewerbe- und Wohngebiet ‚Phoenix-See‘ zu untersuchen.

Die Ruhr-Residence wurde abgeschlossen mit einer Ausstellung im Kunstmuseum Bochum im Dezember 2017. Hier habe ich neben dem eigenen künstlerischen Material in Form von Video, Foto, Malerei und Archivmaterial (Recherche u.a. im Thyssen Krupp Archiv Duisburg, Stadtarchiv Dortmund, Heimat Verein Hörde) auch Zeichnungen ausgestellt, welche die Anwohner vom Phoenix See im Zusammenhang mit meinem Projekt gemacht haben. Jeweils zwei Zeichnungen zu folgenden Fragestellungen sind von den Anwohnern gemacht worden:

Wohnen heißt in der Welt sein. Welche Ecke, welcher Platz in der Welt ist Dir der liebste?

Was ist unter der Oberfläche des Sees? Wie ist das Verhältnis zum ehemaligen Stahlwerk?

Die Rückmeldungen auf diese Aktion waren erstaunlich vielfältig. Durch den Umstand, dass der Phoenix-See als künstliche Fläche inmitten eines ehemaligen Arbeiterviertels angelegt wurde, fielen die zeichnerischen Rückmeldungen der Anwohner sehr unterschiedlich aus. Während die Neubauhäuser rund um das Ufer den Reichtum ihrer Besitzer nicht verbergen, befinden sich Anwohner in den einstigen Begrenzungsstraßen des Werkes wie Hermannstraße oder Am Remberg sehr häufig in einer prekären wirtschaftlichen Lage, da durch den Abriss des Werkes auch häufig der Arbeitsplatz verloren ging. So stellen die Zeichnungen den Verwandlungsprozess, den der Phoenix See verkörpert, auf sehr unterschiedliche Weise dar. Durch die in den Zeichnungen teilweise sehr persönlich vermittelte Perspektive der Anwohner auf den Veränderungsprozess Phoenix-See wurde mir bewusst, wie komplex und vielschichtig die Wirklichkeit an diesem Ort gestaltet ist. Hatte ich zu Beginn meiner Auseinandersetzung plakatartige Bilder im Kopf, welche die Gentrifizierung in Dortmund Hörde ankreiden wollten, so wurde mir im Verlauf des Projektes klar, dass sich die verschiedenen Prozesse nur in der Simultaneität darstellen lassen. Welches Medium aber eignet sich dafür besser als die Malerei/Zeichnung, die man auch als einen Film in der Fläche bezeichnen kann.

Habe ich bisher in meinen Zeichnungen und Malereien vor allem mit Zitaten aus dem Bereich der technischen Konstruktionszeichnung und der Architekturdarstellung gearbeitet, so soll es bei diesem fortlaufenden Projekt darum gehen, die Zeichnungen und Fotos der Anwohner mit in die eigene Arbeit zu integrieren und mit den anderen Elementen wie Bauplänen oder Grundrissen in einen Zusammenhang zu bringen.

Wenn man sich mit der Geschichte der Hermannshütte beschäftigt, so wird schnell deutlich, dass dieses Werk in all seinen Erscheinungsformen eine Codierung hatte. Aus diesem Grund ist der heutige Phoenix-See ebenso aufgeladen mit Projektionen, wie es das Stahlwerk zu seiner aktiven Zeit war: Während die Stahlproduktion lange Zeit nicht nur einer der wirtschaftlich prägendsten Faktoren in der Region war, wird heute die Abwesenheit der Montanindustrie gefeiert. Dortmund ist nun smart City. Das ist die aktuelle Lösungsformel. Der Abbau des Stahlwerkes war nicht einfach nur die Demontage eines wichtigen Industriekomplexes im Ruhrgebiet. Ein Ereignis, wie der Transfer eines gesamten Industriekomplexes von Deutschland nach China darf nicht nur als seltsamer Teil der Technikgeschichte gelesen werden. Vielmehr geht es darum, dass hierdurch die gesellschaftlichen Bedingungen einer globalisierten Welt deutlich werden.

Man kann sagen, dass hier eine Epoche zu Ende gegangen ist. Es ist das Ende vom Zeitalter der analogen Arbeit. Wo früher in Dortmund Stahl gegossen wurde, sammeln sich jetzt vor allem IT-Firmen an, die im digitalen Bereich expandieren.

Die Abwesenheit des Stahlwerkes in Dortmund Hörde und die Oberfläche des Phoenix-Sees sind ein glattpolierter Spiegel für die Sehnsüchte der Gesellschaft in Deutschland. Das Phoenix-See Projekt ist noch längst nicht abgeschlossen. Geplant ist für den Herbst 2018 ein Rechercheaufenthalt am heutigen Standort des Stahlwerkes in Shanghai/China. Hatte ich mit der Ruhr Residence die Möglichkeit, den Phoenix-See und die Geschichte des Stahlwerkes intensiv zu studieren, so drängen sich jetzt in meiner künstlerischen Arbeit die Fragen auf, wie sich in Shanghai das Begehren der Menschen im Spiegel des noch aktiven, glühenden Stahlwerkes artikuliert? Es geht darum, durch die Verbindung des ehemaligen Stahlwerkes in Dortmund und demselben heutigen Werk in Shanghai die Kräfte zu verstehen, die in der Geschichte wirksam sind. Wie man in einem Archiv auf Dinge stoßen kann, die bisher verborgen waren, kann man mit der Verbindung von den einzelnen Elementen dieses Veränderungsprozesses das Nicht-Gesagte aufdecken. Gibt es nicht eine Gemeinsamkeit dieser nur scheinbar so unterschiedlichen Wünsche in Dortmund und Shanghai für das, was Zukunft sein soll? Wenn Orte ein Teil des Kollektivkörpers namens Geschichte sind, dann muss ich die Bilder der Menschen an diesen Orten sammeln und zusammenfügen. Das ist der Grund, warum das Phoenix-See Projekt in Shanghai fortgesetzt wird.

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