Ergebnis

Das 19. Jahrhundert muss als Jahrhundert der Nationalstaaten betrachtet werden. Während der
Zusammenbruch dominierender Imperien vielerorts zu regionaler Unabhängigkeit und politischer
Selbstbestimmung führte fanden sich andere ethnische und religiöse Gruppen als scheinbar
unterrepräsentierte Minderheiten innerhalb neu entstandener Nationalstaaten wieder. Als eine dieser Gruppen
fordern Kurden der Türkei, Syriens, des Irans und Iraks seit etwa hundert Jahren ihr Recht auf einen
gemeinsamen kurdischen Staat.

Als Teil dieses ‘Kurdistans’ steht die ‘Kurdistan Region im Irak’ (KR-I) heute im Spannungsfeld einer
geopolitischen Realität einerseits und eines konstruierten Mythos auf der anderen Seite. Meine fotografsche
Auseinandersetzung verlässt das tagespolitische Geschehen und konzentriert sich stattdessen darauf, welche
Symbole die Idee der Nation fördern, auf welche Weise ein nationales Gedächtnis konstruiert wird und welche
Beziehung zwischen (Um)Siedlung und dem Prozess der Nationenbildung besteht.

Die Arbeit KR-I steht auf der Schwelle eines ersehnten und konstituierten Territoriums um exemplarisch jene
Methoden zu illustrieren die von nationalisitschen Bewegungen aufgegriffen werden um eigene Ansprüche
geltend zu machen. In diesem unbestimmten Zwischenraum baut die Nation auf der Vorstellung, eine
menschliche Gemeinschaft sei durch eine gemeinsame Geschichte innerhalb eines (idealen) Territoriums
miteinander verbunden.

Die Ruhrresidence kollidierte zeitlich mit den Folgen eines Unabhängigkeitsreferendums der KR-I vom 21.
September 2017. Die Nichtanerkennung der positiven Abstimmung durch die irakische Zentralregierung
führte zur Schließung des Luftraumes über der KR-I für den internationalen Flugverkehr. Dadurch war es
nicht möglich jene Region zu besuchen die ich durch frühere Besuche als tatsächliches Territorium verstand.
Als Konsequenz begann ich die KR-I aus der Perspektive der Diaspora als ideellen Raum zu betrachten. Von
diesem Standpunkt untersuchte und begriff ich die Verbindung zu anderen ausländischen Gemeinschaften
als bedeutend für die Basis einer nationalen Identität. Meine Untersuchung führte zu dem Ergebnis das der
Prozess einer nachhaltigen Staatsbildung nur dann Aussichten auf Erfolg zu haben scheint, wenn er die
international hegemonialen Prinzipien liberal demokratischer Politik und Sprache aufgreift. Ausschließlich in
dieser zwischengesellschaftlichen Beziehung kann ein zukünftiger Staat verwurzelt und legitimiert sein.

Durch die unvorhergesehenen Ereignisse des Unabhängigkeitsreferendums musste ich Methoden entwickeln
den Staatsbildungsversuch der KR-I visuell zu begleiten und zu interpretieren. Ausgehend von der medialen
Berichterstattung kurdischer Medien sammelte ich eine Serie von Bildern die, reduziert auf ihren symbolischen
Kern, diesen Dialog mit den Anderen illustriert.
Die Arbeit dient als visueller Beitrag zum Studium und Verständnis von (Sub) Nationalismus und
Staatsbildung.

 

 

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