Jetzt sind hier nicht die 90er, aber wenn ich mich hier so umschaue, sind sie hier auch nie gewesen.
Irgendwie bin ich in einen Strudel geraten. Im zu häufig wiederkehrenden Turnus blöke ich das Mantra der Fans und Interessent*innen des Standorts Ruhr in die Welt und verstricke mich in den Fasern der Hülse: Identität! Identitätsstiftend! Identitätslos!
Die Suche nach der verratenen, gefundenen, verzauberten, verworfenen, übertragbaren Identität des Ruhrgebiets, oder Bochums, war mehr oder minder der Ausgangspunkt meiner Recherchen. Wo, wenn nicht hier, wäre die Implantation dieses ANIMA Zaubergartens so surreal, absurd, man ist versucht zu sagen: heller Wahnsinn gewesen! Sensationeller Stoff, denkt der verrußte Kumpel, der die ausgezehrten Batterien seiner Seele auf einer Bank am Rumpf eines überdimensionierten Janus-Kopfes aufladen soll, und dabei müde den Blick über die vage Skyline der mittelgroßen Stadt schweifen lässt…
Der Park findet sich 2018 hier nicht. Aber eben auch der Kumpel nicht.
In zahlreichen Gesprächen mit Parkbesucher*innen in Marrakesch und Bewohner*innen des Ruhrgebiets bleibt die Identität dieses Ortes ungefähr und modellhaft. Kein Wunder, wellenhaft und ohne Zeit zu verlieren baute sich die Stadt aus Blaupausen und Wirtschaftsplänen auf, die Menschen strömten in den Pott und ehe sie wussten, wie ihnen geschah, wurde schon kräftig gerührt und man verstand sich als Eines.
Der ANIMA-Park in Afrika brodelt einsam vor sich hin. Isoliert liegt er da, ein jugendlicher Eremit, der gern ein alter wäre, Trost und Wärme spenden möchte. Ein botanisches Museum, eine Idee von Schönheit in Formalin, ausgelagert in einer Zeitkapsel, an einem anderen Ort, wo sie sich noch bewahren und entdecken lässt.
Bochum hätte 1998 dieser Ort sein können. Aber ebenso jeder andere.
Trotzdem: ganz so unähnlich sind sie sich nicht, die Gartenlandschaft ANIMA und der Pott.
Schon 1968 sah Ferdinand Kriwet das Ruhrgebiet prädestiniert dazu, als größte künstliche Landschaft zum ebenso größten Kunstwerk der ganzen Welt zu werden.
Die konsequente Entwicklung aus nüchternen Abwägungen und geologischen Voraussetzungen müsste doch gerade dann, wenn der ursprünglich entscheidende Standortfaktor nicht mehr gegeben ist, die sein, dass die passende Leerstelle entstehen kann, in die die Stadtgesellschaft ihre Identität völlig frei, nach eigenen Vorstellungen, hinein gebären kann. Über mehrere Jahrzehnte zieht sich das schleichende Sterben der Zechen und Schächte hin, bis in den 90er Jahren die Arbeitslosenquote an Rekordmarken kratzt, jetzt, jetzt muss sie doch kommen, hervor- oder an-, oder etwas, was ist denn jetzt?
Stattdessen ein Gelände wie ein Pauseknopf. Der Westpark hält den Atem an und wartet noch. Weitläufige Flächen, Pilger sehen das Monument schon von Weitem. Umgewidmet, aber noch ganz im Thema, die Jahrhunderthalle. Ein industrielles Museum. Eine Idee von Schönheit in Formalin, eine Zeitkapsel aus Gussstahl, Rückbau möglicherweise unmöglich, zumindest aber zu teuer. Der Bergbau wird hier voller Inbrunst gefeiert, als wäre es noch 1960. Aber mit Gästen von Außerhalb. In Goldhammer kann man sich die Tickets noch immer nicht leisten.
Was mache ich nun also jetzt, mit Bochum, mit Marrakesch, mit André Heller, mit der Identität? Bochum hat die ANIMA-Kapsel nicht geschluckt. 20 Jahre no-ANIMA Bochum – der letzte Schacht ist inzwischen auch dicht – nach 20 Jahren kann man es doch noch einmal versuchen. Wir bauen diesen Park. Aber dieses Mal mit den Bochumer*innen.